„Wir wollen nicht nur online Existieren“

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Wir wollen nicht nur online existieren

Interview geführt von Connor Endt

Ausverkaufte Konzerte in ganz Europa: Gerade besuchten die Amerikaner der Twenty One Pilots auch den deutschsprachigen Raum. Wir trafen die Band in Zürich.

Am Anfang ihrer Karriere verglich man die Twenty One Pilots noch mit einem Crossover aus Fun., Eminem und der Bloodhound Gang. Spätestens seit dem Grammy-Erfolg für den globalen Hit «Stressed Out» vor zwei Jahren ist das Duo aus Ohio endgültig im Mainstream angekommen.

 

Nach der Tour zum letzten Album «Blurryface» wurde es ruhig um die beiden Musiker und Frontmann Tyler Joseph werkelte im Heimstudio am neuen Album «Trench«. Ich treffe das Duo backstage im Hallenstadion in Zürich.

Tyler: Oh wow, du hast noch ein iPhone 4?!

Ja, das habe ich von einem Freund bekommen. Es hat mittlerweile aber ziemliche viele Bugs.

Josh: Alle sagen immer, dass das iPhone 3 das beste iPhone war, das je gebaut wurde.

Eure Show beginnt in zwei Stunden. Habt ihr irgendwelche Rituale, bevor es auf die Bühne geht?

Tyler: Es gibt Abende, da müssen wir uns einen Moment fokussieren, sonst können wir nicht auf die Bühne gehen. Manchmal ist man noch nicht bereit. Wir versuchen deshalb, mindestens 30 Minuten vor der Show ungestört zu sein. Sonst haben wir eigentlich keine Bühnentradition.

Josh: Für heute sind wir bereit.

Wie funktionieren die neuen Songs live? Welche Songs sind die Favoriten des Publikums?

Tyler: «Chlorine» kommt echt gut an. Wir hatten vor der Albumveröffentlichung geschätzt, welche Songs live gut funktionieren würden und «Chlorine» schaffte es nicht auf die finale Liste. Als das Album dann erschienen ist, haben Fans «Chlorine» echt gefeiert. Sie meinten, dass wir diesen Song unbedingt live spielen sollten. Deswegen haben wir ihn dann doch aufgenommen und sind jetzt froh darüber.

Josh: So haben wir herausgefunden, dass der Song, der nicht auf unserer Setlist ist, immer der Lieblings-Song vom Publikum ist. (lacht)

Josh, in einem Interview vor zwei Jahren hast du gesagt, dass du ein Fußpedal benutzt, um eure Backing-Tracks live zu spielen. Habt ihr euer Live-Setup für die neuen Shows verändert?

Josh: Ich benutze immer noch das gleiche Pedal. Vom ersten Tag an waren wir immer zu zweit auf der Bühne. So haben wir entschieden, wer von uns welche Verantwortlichkeit auf der Bühne hat. Und in großen Teilen hat sich daran nichts geändert. Jetzt haben wir Markierungen, um unser Equipment aufzubauen, damit das Setup immer gleich ist, was ziemlich nützlich ist. Wir versuchen, den Ablauf der Show immer gleich zu halten.

Also bist du es, der das Konzert eröffnet …

Josh: Ja genau.

Wie habt ihr die Story von «Trench» auf die Bühne gebracht?

Tyler: Als wir an dem Album gearbeitet haben, trafen wir sehr viele unserer Leute, die für das Licht und die Live-Videos zuständig sind. Es war ziemlich cool zu sehen, wie das alles am Ende zueinander passt – die Musikvideos auf den LED-Bildschirmen, das Licht und der Live-Auftritt. Wie das alles zusammen gebracht wurde. Wir sind froh, dass wir es so gemacht haben.

Wie lange habt ihr gebraucht, um das alles zusammen zu bekommen?

Tyler: Das dauerte insgesamt ein Jahr.

«Menschen sind gemeiner online»

Wie schreibt ihr eure Songs? Wie kombiniert ihr Melodien und Drum-Beats?

Tyler: Das kommt voll drauf an, wo wir gerade sind. Wenn wir unterwegs sind, ist es viel schwieriger, akustische Instrumente authentisch aufzunehmen. Dann arbeitet man eher mit seinem Computer. Was einen auch auf eine coole Art beeinflusst. Wenn wir Zugang zu einem größeren Studio haben, wo wir organischere Akustik-Sounds aufnehmen können, entstehen andere Songs. Daher auch die verschiedenen Sounds auf unseren Alben. Es geht immer um Inspiration, das kann eine Kickdrum sein, eine Melodie, eine Songstruktur, ein Tempowechsel oder eine Klangfarbe.

Verstehe. Also arbeitet ihr auch während der Tour an neuen Songs?

Tyler: Ja.

Auch jetzt gerade?

Tyler: Ja, genau.

Könnt ihr ein bisschen davon erzählen, wie es war, mit Paul Meany an dem neuen Album zu arbeiten?

Tyler: Das war großartig! Paul spielt ja in der Band Mutemath, die Josh und ich sehr mögen. Und wir waren in der glücklichen Lage, mit ihnen gemeinsam zu touren, wodurch wir sie besser kennengelernt haben. Unsere Beziehung zu Paul ist dann ganz natürlich entstanden. Er, Darren und die anderen Jungs sind sehr auf DIY bedacht, was ihre Alben betrifft. Sie haben sich selbst beigebracht wie man aufnimmt, mixt und mastert.

Paul hat was Neues eingebracht, da er kein traditioneller Musik-Produzent ist, sondern aus der Live-Szene kommt und aufgrund der gemeinsamen Tour verstanden hat, was wir haben wollten. Er hat bei einigen Teilen des Albums sehr geholfen.

Wie hat sich die Produktion verändert von «Blurryface» zu «Trench»?

Tyler: «Trench» wurde zum Großteil in meinem Haus nach der Tour aufgenommen. «Blurryface» dagegen entstand fast komplett unterwegs. Also zwei sehr unterschiedliche Prozesse.

Warum habt ihr euch dafür entschieden, das Album dieses Mal komplett alleine aufzunehmen?

Tyler: Weil wir denken, dass wir besser sind als alle anderen. (lacht)

Für «Trench» habt ihr eine eigene fiktive Welt erschaffen. Worin lagen die Inspirationen für diese Welt?

Tyler: Hmmm … (denkt lange nach), das Geschichten erzählen ist eine spaßige Kunstform für sich. Songwriting und Geschichten erzählen haben etwas gemeinsam. Ich genieße jede gute Geschichte, und es hat Spaß gemacht, zu versuchen, beide Elemente zu vermischen. Hoffentlich ist dabei etwas entstanden, in das unsere Fans eintauchen und sich ein bisschen verlieren können.

Ihr habt immer gesagt, dass ihr mit euren Fans eng über das Internet verbunden seid. Wie beeinflusst das Netz euer Verhältnis?

Josh: Am Anfang sind wir nach den Shows mit den Leuten abgehangen. So erfährst du direkt, was sie von der Musik denken. Das hat sich dann immer mehr dahin bewegt, dass wir online checken, wie die Leute unsere Musik einschätzen. Menschen sind gemeiner online, das ist schon so … aber wir mögen das. Es ist schwieriger, heute noch Fans nach der Show zu treffen.

Von euch sind viele Fotos im Netz, auch sehr private. Wie ist eure Meinung dazu?

Josh: Weißt du, es ist eine gruselige Zeit, wenn praktisch jede Information gesehen werden kann. Leute könnten genau jetzt gerade in meinen Computer schauen. Als die Band größer wurde und mehr Leute wussten, wer wir sind, hat uns der Gedanke geholfen, dass letztlich nur wir verantwortlich für unser Tun sind, privat oder öffentlich. Hoffentlich können wir uns noch lange ein bisschen Privatsphäre bewahren. Wir versuchen jedenfalls, die Typen zu bleiben, die wir sind.

Ihr habt zum «Trench»-Album die Website dmaorg.info erstellt, auf der Fans kleine Rätsel lösen mussten, um Infos zu erhalten. Habt ihr mal etwas von Cicada 3301 gehört? Das ist ein Internet-Rätsel, das eurem sehr ähnelt. Auch dort müssen User kleine Rätsel lösen und Hinweise sammeln.

Josh: War das so ein Band-Ding?

Das war angeblich von einer geheim gehaltenen Agentur, die Mitarbeiter für ein Programm rekrutieren wollte. Es wurde aber nie komplett aufgeklärt, worum es sich dabei handelt.

Tyler: Davon hab ich noch nie gehört. Aber wenn es so ähnlich ist wie unser Rätsel, kann es gelöst werden. (lacht)

Ich mochte diese Idee mit den Bruchstücken für das neue Album.

Tyler: Hat auch Spaß gemacht, das alles zusammenzufügen.

Tyler, du singt sehr viel über Angstzustände, persönliche Struggles und Emotionen. Glaubt ihr, dass das in der heutigen Musiklandschaft nicht genug thematisiert wird?

Tyler: Nein, ich glaube die Leute wissen, dass man darüber reden kann. Als ich angefangen habe, Songs zu schreiben, fühlte es sich noch nicht so an. Wir waren eher alleine mit dem Gefühl, über solche Themen zu reden. Zur Zeit ist ein großer Wandel in Bezug auf Offenheit im Gange, und damit auch das Verständnis, wie wichtig Kommunikation ist. Man kann über die tiefer sitzenden Dinge sprechen, die manche Menschen durchmachen. Die Kultur wird offener, weltweit.

«Viele Fans bekommen nur etwas von uns mit, wenn wir etwas posten»

Werdet ihr die Bandito-Geschichte auf dem nächsten Album weitererzählen? Oder ist das noch komplett offen?

Tyler: Lasst euch überraschen! Check the news!

Mit wem würdet ihr gerne an zukünftigen Aufnahmen arbeiten?

Tyler: Mit niemandem. (grinst)

Also nur ihr zwei?

Josh: Ja nur wir zwei.

Ihr seid bei den VMAs vor vier Jahren mit A$ap Rocky aufgetreten …

Tyler: Ja, das war was anderes …

Vielleicht etwas in diese Richtung?

Tyler: Ich glaube nicht, dass er das machen würde.

Ihr seid wahrscheinlich gerade auch ziemlich mit der Tour beschäftigt, oder?

Tyler: Es ist hart, jeden Tag aufzutreten. Als Fan denkt man ja vielleicht nicht unbedingt daran, dass wir jeden Abend auf der Bühne stehen. Manchmal denken wir selbst nicht dran. Viele Fans bekommen nur etwas von uns mit, wenn wir etwas posten. Es ist klar, dass das die heutige Dynamik ist, aber es macht einfach Spaß, Leute persönlich jede Nacht zu sehen. Wir wollen nicht einfach bloß online auf irgendeiner Plattform existieren.

Was macht ihr an freien Tagen?

Josh: Das kommt darauf an, wo wir sind. Manchmal kränkelt man, fühlt sich müde und braucht den Tag einfach, um wieder fit zu werden. Als Pause vor der nächsten Show. Besonders in Europa ist es natürlich spannend, andere Kulturen kennen zu lernen, anderes Essen zu probieren, anderen Kaffee und so.

Hattet ihr die Möglichkeit, euch Zürich anzuschauen? Ihr seid wahrscheinlich erst heute hier angekommen, oder?

Josh: Gestern. Daher haben wir ein bisschen was von Zürich gesehen, richtig coole Stadt!

Im Video zu «Chlorine» habt ihr den Animations-Charakter Ned in die «Trench»-Welt eingeführt. Die Fans lieben ihn, daher die Frage: Bringt ihr Ned zurück?

(Tyler lacht)

Josh: Er ist unser Kumpel.

Tyler: Ja, er würde gerne zurück kommen. Es ist nur so … teuer.

Josh: Wir arbeiten gerade am Budget.

Tyler: Der Erfolg des Clips ist ihm ein bisschen zu Kopf gestiegen. Er arbeitet jetzt nur noch für Geld … deshalb müssen wir an unseren Verträgen feilen.

Josh: Das wird ne Weile dauern.

Tyler: Es ist ein Freundschaftsvertrag. Gerade begleitet er uns auf der Tour, kommt aber nur für einen Song auf die Bühne. Wir so: «Hey, wir spielen die ganze Show und du willst für einen Song trotzdem die gleiche Gage?!» Fühlt sich nicht richtig an. Andererseits sind alle wegen dieses einen Songs da, also kann man kaum widersprechen.

Vielen Dank für das Interview, war mir eine Freude!

Tyler: Danke Mann! Und viel Glück mit deinem Handy!

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