
Viele Gitarristen, die Gerade mit der Gitarre anfangen oder schon eine Weile spielen und dann zum Fingerstyle übergehen, beginnen ihren Weg mit dem Nachspielen von Arrangements. Beliebte Stücke, bekannte Melodien und Versionen von Pop-, Folk- oder klassischen Songs. Super um seine Technik zu üben, die Gitarre kennen zu lernen und Spass an bekanntem zu haben. Doch irgendwann
stellt sich bei vielen die Frage: Muss ich immer nach Noten oder Tabs spielen – oder kann ich auf meiner Gitarre auch spontan kreativ werden? Genau an diesem Punkt beginnt ein faszinierender Abschnitt des musikalischen Weges: die Improvisation. Improvisation bedeutet, Musik im Moment entstehen zu lassen. Es geht darum, nicht nur wiederzugeben, was andere komponiert haben, sondern selbst zu gestalten – mit den eigenen Händen, dem eigenen Ohr und dem eigenen Gefühl. Gerade im Fingerstyle ist diese Art des Musizierens besonders spannend, denn man agiert meist als „Ein-Mensch-Band“: Man spielt Bass, Akkorde, Melodie und Rhythmus gleichzeitig. Das eröffnet viele Freiheiten – aber es stellt auch gewisse Anforderungen.
Einfach mal ausprobieren
Die gute Nachricht: Um mit dem Improvisieren anzufangen, musst du kein virtuoser Musiker sein. Es reicht, wenn du dich mit den Grundelementen deiner Musik vertraut gemacht hast. Dazu gehören einfache Akkorde, ein gewisses Verständnis für Tonleitern, rhythmische Sicherheit und die Fähigkeit, mit Daumen und Fingern verschiedene Stimmen unabhängig voneinander zu spielen. Alles
andere ist eine Frage der Übung – und der Neugier.
Ein besonders guter Einstieg gelingt oft mit einfachen Mitteln. Man kann beispielsweise beginnen, auf einer einzigen Tonleiter kleine Melodien zu erfinden – ganz ohne festen Plan. Während der Daumen einen gleichmässigen Bass auf tieferen Saiten spielt, erkunden Zeige-, Mittel- und Ringfinger auf den oberen Saiten verschiedene Tonhöhen. Schon nach kurzer Zeit entstehen kleine musikalische
Ideen – manchmal ganz unbewusst. Noch besser wird es, wenn man dabei zwischen Frage und Antwort denkt: Eine kurze Melodie (Frage) wird von einer zweiten (Antwort) ergänzt. So entwickelt sich aus dem Spiel ein musikalischer Dialog.
Improvisation lebt jedoch nicht nur von Tönen – sondern genauso von Rhythmus, Dynamik und Phrasierung. Schon ein einfaches Wechselbass-Muster kann durch rhythmische Variationen völlig neue Wirkung entfalten. Gerade diese rhythmische Freiheit macht Fingerstyle-Improvisation so ausdrucksstark – sie ist nicht nur eine Tonfolge, sondern ein stetiger musikalischer Fluss. Mit etwas mehr Erfahrung kann man anfangen, über Akkordfolgen zu improvisieren. Wer etwa die Akkorde C–G–Am–F kennt, kann mit wenigen Tönen eigene Melodien darüberlegen. Besonders gut funktionieren dabei Töne aus der passenden Tonleiter (z. B. C-Dur) oder einfache Arpeggios. Der Daumen sorgt für eine stabile harmonische Basis, während die Finger immer freier mitspielen.
Manchmal reicht schon das bewusste Variieren eines bekannten Patterns, um den ersten Schritt in die Improvisation zu wagen. Viele Spieler entdecken das Improvisieren auch übers freie Spielen: Dabei gibt es keine klare Tonart, keine feste Struktur – man lässt einfach die Finger über das Griffbrett wandern, hört auf das, was entsteht, und reagiert intuitiv. Das kann meditativ, chaotisch oder überraschend melodisch sein – wichtig ist nur, dass man nicht bewertet, sondern zuhört. Gerade in offenen Stimmungen wie DADGAD oder Open C entstehen so oft wunderschöne, fliessende Klangbilder, ganz ohne Notenwissen. Doch Improvisation bedeutet nicht Beliebigkeit. Wer regelmässig improvisiert, merkt schnell, dass gewisse Töne, Muster und Formen immer wieder auftauchen.
Daraus entwickelt sich mit der Zeit ein eigenes Vokabular – so wie man beim Sprechen Lieblingswörter und Ausdrucksweisen hat. Dieses musikalische Vokabular wird umso reicher, je mehr man spielt, ausprobiert, hört und reflektiert. Genau das macht den Reiz aus: Improvisieren ist nicht das Gegenteil von Struktur, sondern ein lebendiger Umgang mit ihr.
Improvisation im Gitarrenunterricht – Feedback ist das A und O
Im Unterricht ist das Thema oft eine grosse Chance. Viele Gitarristen trauen sich erst gar nicht zu improvisieren – aus Angst, etwas „falsch“ zu machen. Dabei geht es gar nicht um richtig oder falsch, sondern um Ausdruck, Gefühl und Aufmerksamkeit. Ein erfahrener Lehrer kann hier enorm helfen: Er gibt Feedback, zeigt einfache Einstiege, hilft beim Aufbau von Skalenwissen oder
beim Verstehen von Harmonien – aber vor allem schafft er einen sicheren Raum zum Ausprobieren. Im Gitarrenunterricht in Zürich liegt der Fokus nicht nur auf Technik, sondern auf musikalischer Freiheit. Wer möchte, kann ganz gezielt Improvisation trainieren – vom einfachen Call-&-Response-Spiel bis hin zu freier Komposition auf der Gitarre. Dabei wird individuell auf Stil, Erfahrungslevel und musikalisches Ziel eingegangen.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Improvisation ist der Schlüssel zu einer tieferen, persönlicheren Beziehung zum Instrument. Sie befreit von der Abhängigkeit von Noten und Tabs, stärkt das musikalische Selbstbewusstsein und eröffnet neue Wege, die Gitarre zu „sprechen“ statt nur nachzuspielen. Gerade im Fingerstyle, wo so viele Stimmen gleichzeitig erklingen, ist das eine besonders erfüllende Erfahrung. Es lohnt sich, diesen Weg zu gehen – Schritt für Schritt, Ton für Ton.