Immer wieder verweist er bei strittigen Fragen auf seine Geschäftspartner, sucht Schuldige oder gibt sich überfordert. So habe 2020 “die ganze Welt nach Masken geschrien“. Bis zu 500 Mails pro Tag haben ihn zu dem Thema erreicht. Für ihn sei die “Notlage” in Deutschland “unfassbar” gewesen. Leicht erkennbar, inszeniert sich Kliemann als Retter in der Not. Zumindest räumt er ein, in der Hektik seinen “Wertekompass aus den Augen verloren” zu haben. Er sei nun für “Transparenz und Aufklärung” bereit, betont aber auch, dass die “Betrugsvorwürfe einfach nicht stimmen“.
Kliemann behauptet, selbst nie Masken verkauft oder beworben zu haben, die außerhalb Europas produziert worden waren: “Überall, wo Portugal oder Serbien draufstand, war auch zu 100 % Portugal und Serbien drin.” Das Textilunternehmen Global Tactics, an dem der Sänger laut Jan Böhmermann beteiligt sei, habe in Bangladesch Masken herstellen lassen – als ein “reines Großhandelskontingent für Handelspartner und Großabnehmer“. Alle Abnehmer seien über das Herkunftsland informiert gewesen, so auch der Versandhändler About You.
Tarek Müller, Mitgründer und Geschäftsführer des Online-Händlers About You, wies besagtes Wissen am Freitag auf Twitter zurück: “Dass die Masken teilweise nicht in Europa produziert wurden, war uns bis heute nicht bekannt und wir haben den Fall unverzüglich intern geprüft, um uns ein genaues Bild zu machen.” Selbst der “Verantwortliche von Global Tactics hat unserer Einkäuferin am Telefon heute bestätigt, dass wir nie eine Info erhalten haben über Produktionen außerhalb Europas“. About You habe die Masken nun aus dem Shop entfernt.
#fynnkliemann hat ein Statement verbreitet, in dem es heißt: „(…) Laut Global Tactics wurden alle Abnehmer dieser Masken im Vorfeld über das Herkunftsland genau informiert. (…) AboutYou wusste Bescheid, dass die Lieferungen aus verschiedenen Ländern, auch außerhalb (1/5)
— Tarek Müller (@TarekMueller) May 6, 2022
In einem Spiegel-Interview bekräftigte Fynn Kliemann am Wochenende sein Dementi. Es stimme nicht, dass er “selbst Masken aus Bangladesch verkauft habe oder absichtlich kaputte Masken an Flüchtlingslager geliefert habe“. Gleichwohl habe er “nie dementiert, dass Masken von Global Tactics in Bangladesch produziert werden. Ich wurde nur nie danach gefragt.” Er sei lediglich die “Galionsfigur” seiner geschäftlichen Partner gewesen, die seinen Namen zu Werbezwecken genutzt hätten. “Da wurde ich vielleicht missbraucht“, erklärt der Sänger im Gespräch.
Auch sonst beschreibt sich Fynn Kliemann vor allem als Opfer der Umstände. So sei ihm etwa versichert worden, dass die Fabrik in Bangladesch für “faire Löhne und faire Arbeitsbedingungen” stehe. Es sei genauso viel bezahlt worden wie in Serbien. “Da muss man sich fragen, wo das Geld bleibt, wenn es nicht bei den Arbeitern und Arbeiterinnen landet.” Stets hatte er nur Gutes im Sinn: “Ich wollte am Ende des Tages nur, dass möglichst viele Masken den deutschen Markt erreichen. Darauf beziehen sich auch viele Nachrichten, die im Nachhinein total ekelhaft klingen.”
Viele der privaten Nachrichten, die Jan Böhmermann in seiner Sendung präsentierte, bezeichnet Kliemann als unpassend. “Da haben sich Freunde gegenseitig angestachelt“, relativiert er gegenüber dem Spiegel. Obwohl er stets behauptet hat, an den Masken nichts verdient zu haben, räumt er nun einen Gewinn von knapp 415.000 Euro ein. “Ich habe übertrieben und das muss ich mir in Zukunft abgewöhnen“, dampft er es auf ein rein kommunikatives Problem ein, “Vor allem muss ich an mich selbst ran und damit aufhören, mein Bild schöner dastehen zu lassen, als es in Wirklichkeit ist.”