Thomas Schwendemanns Bandporträt entpuppt sich als unaufgeregter Imagefilm über ein schwäbisches Erfolgsprojekt.
Stuttgart (rnk) – Die Fantastischen Vier waren in den frühen 90ern mit dem immer noch schrecklichen “Die Da” die Antichristen der Deutschrap-Szene, haben mit “Lauschgift” ihren künstlerischen Zenit erreicht und liefern mittlerweile harmloses Family-Entertaiment für die großen Stadien.Das wissen sie selbst und gehen damit erstaunlich locker um.
Der Kinofilm “Wer Vier Sind” von Thomas Schwendemann beschönigt weder die wachsenden Bäuche noch die gelben Raucherzähne der Protagonisten. Die Stuttgarter schreiten zusammen der 50 entgegen. Der Alterungsprozess macht eben auch vor einer stets jugendlich wirkenden Kultur wie Hip Hop nicht Halt.
Smudo bekämpft ihn mit Jungkskram wie Autorennen, schnellen Fliegern und einer wirklich beeindrucken “Man Cave“, wie Samy Deluxe das gut augestattete Gaming-Zimmer seines Freundes nennt. Das Hamburger Deutschrap-Urgestein sitzt dabei im einem Studioraum, als “neuer Output von draußen“, den sich die Fantas zu ihrem letzten Album “Captain Fantastic” ins Boot holten. Es mögen ein paar Jahre zwischen ihm und den älteren Herren liegen, doch im Gegensatz zu dem juvenilen Vieren wirkt Samy im Film erstaunlich müde. Wie Curse, ebenfalls zur Auffrischung geholt, kommt er einem wie ein selbstgefälliges Relikt aus einer vergangenen Ära vor.
Sympathisch uncool
Clueso, auch nicht gerade ein taufrischer Newcomer, erscheint dagegen wie der Fanboy, der mit großen Augen vor seinen Idolen steht. Einem Anruf bei ihm sieht Michi Beck trotzdem mit großer Skepsis entgegen, er befürchtet gar aufgrund der mangelenden Coolness der Fantastischen Vier eine Absage. Umso größer ist der Jubel als sie ihn sofort für ein Feature gewinnen können. Das ist schlichtweg sympathisch und wirkt zu keinem Zeitpunkt gestellt.
Ein Level drüber?
Die Vier wissen eben genau, wie wenig kredibel sie für die Community sind. Von der haben sie sich laut ihrem Manager Andreas “Bär” Läsker aber eh schon längst emanzipiert und stehen gar “ein Level drüber“: mit Blick auf die wenig mutigen letzten Alben und ihrem gefälligen Konsens-Pop eine doch sehr zweifelhafte Aussage, aber mit dem derzeitigen Kindergarten und seinen 30-Minuten-Disses, Ansagen und fragwürdigen Geschäftsmodellen haben die Fantastischen Vier in der Tat nichts mehr zu tun.
Ein einseitiges Bild
Für Antagonisten zu den fantastischen Freunden bietet “Wer Vier Sind” allerdings auch gar keinen Platz. Es wäre spannend gewesen, wie frühere Erzfeinde wie Moses Pelham oder jüngere Kollegen die Stuttgarter heute sehen. So kommen nur Weggefährten, die Fantas selbst und gute Freunde zu Wort und bestimmen das Bild, wer die Vier nun angeblich sind.
Der Fokus liegt demenstrepchend nicht auf dem Umfeld, sondern auf der Banddynamik der doch sehr unterschiedlichen Charaktere, die im Gegensatz zu den Toten Hosen keinen polarisierenden Frontmann wie Campino haben. Der Spott nach “Die Da”, die Ablehnung in den Anfangstagen und die Ära des Gangsta-Raps haben die Männer in der Krisenzeit noch enger zusammengeschweißt.
Erfrischend unsentimental
Das Thema Freundschaft handelt der Film trotzdem erfrischend unsentimental ab: Jeder der Vier hat mittlerweile seine eigene Familie und ist nach stundenlangen Meetings und langen Touren nicht mehr an gemeinsamen Ausflügen ins Nachtleben interessiert. Dass sich abseits des Band-Kosmos’ wirklich alle treffen, kommt nur bei runden Geburtstagen vor.
Das klingt nach braven Spießerleben, aber ist ein authentischer Einblick in die Lebensrealität von Familienvätern. Auch Pop-Millionäre müssen Kinder zur Schule bringen und Alltags-Probleme lösen. Wie eigentlich ein normales Leben ausgesehen hätte, fragen sich die Fantastischen Vier gleich selbst und befürchten, dass sie wegen der doch zu großen Unterschiede eigene Wege gegangen wären. Thomas D. meint, er sei wohl auch in einem möglichen anderen Leben am Fließband ein überzeugter Vegetarier geworden, weil er eben Menschen und die Natur möge. Sprichts und heizt sichtlich begeistert mit dem Quadbike über die verschneite Landschaft.
Große Kinder aus Benztown
“Wer Vier Sind” ist ein unaufgeregter Imagefilm über ein schwäbisches Erfolgsprojekt, voller gern gesehener Talkgäste ohne Skandal-Potenzial, perfekt als Werbung und TV-Unterhaltung für die ganze Familie. Thomas Schwendemann, der früher Imagefilme für – ausgerechnet! – BMW produzierte, lässt die großen Kinder aus Benztown in Ruhe ihren Kram machen und packt alles in flauschig heimelige Bilder.
Fans der Band können nun in den Kino-Center ihrer Wahl gehen, Hits wie “Zusammen” in Dolby Surround genießen und sich an den Idolen in Leinwandgröße erfreuen. Der Rest schaut sich Kollegah und seine wirren Insta-Storys an. Dass der Alpha mit 50 allerdings auch so in sich ruhend und glücklich wirkt wie Michi, Smudo, Andi und Thomas, ist derzeit sehr schwer vorstellbar.
“Wer Vier Sind” läuft ab dem 15. September in den Kinos.