Jahresrückblick 2023: So vielseitig war der Schweizer Hip-Hop-Kosmos noch nie

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Das Jahr 2023 beglückte die Fans der urbanen Schweizer Musikszene mit einigen lyrischen Perlen, überzeugenden Alben und aufstrebenden Künstlerinnen und Künstlern. Es ist an der Zeit auf die musikalische Vielfalt der vergangenen zwölf Monate zurückzuschauen, denn Schweizer Hip-Hop ist populärer und ideenreicher denn je. Mundartsongs begeistern Millionen von Hörerinnen und Hörern – weit über unsere Grenzen hinaus. Die nachfolgend vorgestellten Künstlerinnen und Künstler haben in diesem Jahr ihren Teil zur kreativen Fülle der Schweizer Musiklandschaft beigetragen. Die Auswahl derer traf diese Redaktion nach subjektivem Empfinden, ist nicht abschliessend und hat folglich keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit.

Aufstrebende Newcomer

Sie war in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal auf Tour, hat im Frühling ihre erste und bisher einzige EP veröffentlicht und begeisterte an Open Airs sowohl in der Schweiz als auch in Italien. Ele A aus Lugano setzt das Tessin wieder auf der Landkarte des Schweizer Raps. Die 21-Jährige rappt auf Italienisch und flowt gleichwohl souverän auf Oldschoolbeats wie auch elektrische Takte.

Das Duo Detivni bestehend aus den Rappern Ferb und Yevad Ki$ meldete sich im Herbst mit ihrem neuen Album Lusus Naturae zurück und setzen damit neue Masstäbe im Mundart-Trap. Die beiden Zürcher zeigen sich auf dem Tape hässig, rappen mal bissig, mal eher melancholisch und nachdenklich. Das markante Soundbild erinnert an den US-amerikanischen Rapper Playboi Carti, das Vorbild der beiden. Dennoch haben Detivni es geschafft, Rage Trap auf Schweizerdeutsch zu produzieren, der originell und nicht abgekupfert klingt.

Auch Kylo Dream ist als Featuregast auf dem Detivni Album vertreten. Der Liechtensteiner liefert hochqualitativen Trapsound im Liechtensteinischen Dialekt. Er scheint in der hiesigen Szene bereits bestens vernetzt. So droppte er in jüngerer Vergangenheit Tracks gemeinsam mit Nativ, Dawill oder Cinnay, die ein jeweils völlig unterschiedliches Hörerlebnis bieten. Kylo Dream beweist, dass Trap auch auf Mundart wunderbar funktioniert und bleibt dabei sich selbst und dem Underground treu.

„Baby denkt ich mache Punk Rock (Ah, Ah), debi bini e Rockstar (Ah, Ah)“, singt Edb auf seinem neuesten Release „Punk Rock“. Vier Singles hat der Mundartmusiker in diesem Jahr veröffentlicht und allesamt haben sie Ohrwurmpotenzial. Egal ob Edb das Verliebtsein, den Herbst oder sein Dasein als Rockstar besingt: Man will seine Musik, einmal gehört, einfach nicht mehr missen. Nicht zuletzt ist Edb ein so charismatischer wie auch witziger Typ. Man darf gespannt sein, was das kommende Jahr für ihn bereithält.

Die Burners

Jule X, Berner Rapper und Lieblingsprolet der Schweizerinnen und Schweizer, hat sich seinen Platz in dieser Auflistung mehr als verdient. Galt er im letzten Jahr noch als Newcomer, ist er heute fester Bestandteile der Schweizer Rapszene. Zahlreiche Releases, allen voran die Vokuhilas & Buzzcuts EP, die er gemeinsam mit dem Zürcher Rapper Lil Bruzy releaste, brachten ihm einen grossen Bekanntheitsgrad. Jule X, stets in Trainerjacke und Vokuhila-Frisur anzutreffen, machte vor einigen Monaten Schlagzeilen, als er sich angeblich mit Mitgliedern der Fischermätteli Hood Gäng in einem Club prügelte. Nachdem 20 Minuten in einem Artikel über die Auseinandersetzung berichtete, machten Jule X und FHG reinen Tisch: Die Aktion war ein Promo Move für den gemeinsamen Song „Passt scho“. Raffiniert, kreativ – Jule X.

Aus Lausanne steuert Badnaiy ein vielschichtiges, melodisches und tiefsinniges Album bei. Es trägt den Titel „With Love“ und ist ihr erstes seit drei Jahren. Sie beweist auf der stimmigen Platte, dass sie zu den kreativsten und vielseitigsten Acts der Schweiz zählt. Verspielt verpackt Badnaiy in ihre französischen Texte englische Wörter und Phrasen und zieht so auch die deutschsprachige Hörerschaft in ihren Bann.

Nur wenige können Cinnay das Wasser reichen – zumindest was seinen Output angeht. Gleich zwei Alben sowie diverse Tracks auf denen er als Featuregast vertreten ist, sind dieses Jahr erschienen. Und doch, trotz der Masse an Songs hält der Rapper aus Murten die qualitative Messlatte seiner Werke hoch. Das im Dezember erschienene Album „Diamond Mind“, produziert von Joel Demora, zeugt von Cinnays sprudelnder Kreativität und lädt in eine verträumt, verspielte, manchmal sehnsüchtige Soundwelt ein.

Was fühlt sich schöner an als ein „I love you“? Wohl wenig. Deshalb gehört auch OG Florin mit seinem Tape „ILY<3“ in diese Liste. Durch entspannte Chill-Beats wehmütige Gitarrenriffs und einen OG, der sich auf die Suche nach seiner selbst zu begeben scheint, fühlt sich das Album an wie eine innige Umarmung. Der ideale Begleiter für einen sonntäglichen Spaziergang oder einen Late Night Drive.

Big Players

Zu den Hustlern des Jahres zählt auch der Berner Rapper Nativ, der drei Alben veröffentlichte, wovon insbesondere das Collabo-Album „Embrace“ gemeinsam mit dem Elektro-Produzenten Pablo Nouvelle ein breites mediales Interesse weckte. Die Zusammenarbeit überraschte sowohl Fans als auch Kritikerinnen und Kritikern, stiess aber auf überwiegend positive Resonanz. Ein Duo, von dem niemand wusste, dass man es braucht. Das Projekt passt zu Nativ, der sich immer wieder in musikalische Gewässer ausserhalb des Hip-Hops wagt. Mitunter ein Grund, weshalb er zu den Grössten in der Schweizer Musiklandschaft zählt.

Seit dem Januar sind sie Platinrapper und an den Swiss Music Awards gewannen sie die Auszeichnung für den besten Hit mit ihrem Song „Will Nomeh“. Das Stadtzürcher Rapduo L Loko und Drini katapultierten sich mit diesem Song an die Spitze der hiesigen Rapszene. Und sie ruhen sich nicht auf ihren Lorbeeren aus: Fast an einem Dutzend Singles haben die beiden Vertreter der Sektion Züri dieses Jahr mitgewirkt. Auch Labelkollege MC Hero blickt auf ein erfolgreiches Jahr zurück. Mit seinem Album „Schön hämmer gredet“ chartete er auf Platz 1 der Schweizer Album-Hitparade. Chapeau.

Und zu guter Letzt gebührt dem Wetziker EAZ unser aller Ruhm und Ehre. Mit seinem Superhit Juicy erzielte er Millionen von Streams, wurde auch in Deutschland abgefeiert und geht in die Geschichtsbücher des Schweizer Hip-Hops ein. Dabei rückte sein Album „Liquor Store“ beinahe ein wenig in den Hintergrund. Eindrücklich beweist EAZ auf der Platte seine musikalische Vielseitigkeit und liefert uns Tracks mit West Coast Vibes, R ’n’ B Klängen bis hin zu harten Drill Beats. Es ist für jeden etwas dabei. (Alec Nedic)

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