KANYE WEST: Das eine Interview zu viel

KANYE WEST: Das eine Interview zu viel
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Im Gespräch mit Forbes offenbart Kanye mehr als nur diffuse Gedankengänge. Es zeigt den Rapper an der Grenze der Unzurechnungsfähigkeit.

Das hier ist kein einfacher Artikel für mich. Ich bin der Hansel in der Redaktion, der Kanye West mehr oder weniger bis zuletzt verteidigt hat. In allen Kontroversen, seinen manischen Phasen, seinen grob fahrlässigen Idiotien. Nun steht die nächste dieser Phasen bevor – und ein neues Forbes-Interview bestätigt den Verdacht: Es könnte die bisher schlimmste werden. Nach Geschwurbel über Impfungen, aberwitzigen Gedanken über Rassismus und einer Meisterkür der Grenzdebilen befürchte ich, dass meine Unterstützung diese Phase nicht überstehen könnte.

Dabei ist meine mentale Flexibilität als Kanye-Fan wohl trainiert. Erst war die Musik klasse, aber der Typ halt irgendwie schrullig. Dann war er ein Arsch. Dann hat er Trump unterstützt, Sklaverei eine Wahl genannt und sich offen zu neurechten Predigern bekannt. Verteidigen wurde schwieriger, aber die Musik hat ja noch gestimmt. “Ye” und “Kids See Ghosts” bleiben großartig, ich werde sogar meine Hand ins Feuer legen und bekräftigen, dass ich trotz aller offensichtlichen Schwächen auch “Jesus Is King” immer noch gerne mag. Aber die Kunst vom Künstler zu trennen war immer schon ein schwieriges Unterfangen. Wenn das Objekt der Kunst der Künstler selbst ist, wird es nahezu unmöglich.

Was sagt Kanye also in diesem Gespräch? Nun, über eine fast vierstündige Unterhaltung klopft der Redakteur der Zeitung einige essentielle Positionen ab, die für einen (selbst ernannten) potentiellen Präsidentschaftskandidaten wichtig zu wissen wären. Wie er sich das alles denn vorstelle, was der Inhalt seiner Politik sei, wie er zur aktuellen Kontroverse stehe. Nicht nur, dass Wests Aussagen von uninformiert über bescheuert bis brandgefährlich rangieren, das wahrlich Gruselige ist, wie komplett übergeschnappt er dabei die meiste Zeit klingt. Ein bisschen Wahnsinn ließ man Kanye ja immer durchgehen. Aber was er hier von sich gibt, das klingt nach der Molotov-Kombination aus viel Macht, viel Zustimmung und einer handfesten Psychose. Ein paar Highlights in Übersetzung:

Über den MAGA-Hut

Einer der Hauptgründe, den roten Hut zu tragen, war Protest gegen die Segregation schwarzer Stimmen. Außerdem, abgesehen davon mag ich Trump-Hotels und die Saxophone in der Lobby.

Über Impfungen

So viele unserer Kinder wurden geimpft und deswegen gelähmt … Wenn sie sagen, dass wir Covid mit einer Impfung behandeln werden, bin ich extrem vorsichtig. Das ist das Zeichen der Bestie.

Über seine Politik

Ich weiß gar nicht, ob ich meinen Ansatz an die Dinge überhaupt Politik nennen würde. Ich habe keine Politik gemacht, als ich bei Nike die Yeezys designt habe, oder als ich zur gleichen Zeit ein Louis Vuitton-Deisgn für Louis gemacht habe. Es war keine Politik, es war Design. Wir brauchen eine Innovation im Design um die Chance zu haben, einen freien Verstand zu behalten.

Über … Deodorant?

Wir müssen die Chemikalien loswerden. In unserem Deodorant, in unserer Zahnpasta, da sind überall Chemikalien drin, die unsere Fähigkeit einschränken, Gott zu dienen.

Im Laufe des Gesprächs vergleicht er dann seine Ambitionen im weißen Haus mit dem Superhelden-Film “Black Panther”, erklärt, dass sein Kampagnen-Slogan “YES!” sein wird und teilt gleichermaßen gegen Biden und Trump aus. Letzterer nannte Kanyes politische Ambition übrigens “sehr interessant“. Indes schämt sich Kanye überhaupt nicht dafür, dass er eventuell die schwarzen Stimmen Bidens spalten könnte, sondern ist völlig im Reinen damit, Trump eventuell zur Wiederwahl zu verhelfen. (Nicht, dass das passieren würde. Es sollte hoffentlich klar sein, dass schwarze Wähler keinem fundamentalen Christen mit Gottkomplex in einer manischen Phase ihre Stimme geben werden, nur weil der auch schwarz ist. Ein bisschen beängstigend, wie viele das einfach so annehmen.)

Was ist nun in der Summe davon zu halten? Zuerst: Alle Rechtfertigung beiseite lassend und als wirklich eingefleischter Kanye-Fan: Nehmt nichts ernst, was der Mann sagt, gebt ihm nicht die Aufmerksamkeit, lasst euch nicht darauf ein. Das wird meine persönliche letzte Nicht-Musik-News zu Kanyes Präsidentschafts-Arc. Ob es an schlechten Einflüssen, zu vielen Ja-Sagern oder an seiner Bipolarität liegt (wahrscheinlich eine Mischung aus allem): Offensichtlich ist Kanye West momentan absolut unzurechnungsfähig und niemand hält ihn davon ab, sich öffentlich zur Wurst zu machen. Aber solange er weiterhin einer der reichsten Menschen der Welt ist, stellt er sich wohl auch nicht in Frage.

Ich wünsche mir wirklich einen Redemption-Arc, wünsche mir so sehr, dass er einfach wieder gute Musik macht und endlich seine verdammten Pillen nimmt, sich aus diesem komischen Wurmloch rechter evangelischer Prediger befreit und wieder der Kanye wird, den ich lieben gelernt habe. Momentan sieht es dafür aber sehr düster aus. Musikalisch mag “Wash Us In The Blood” erfrischend gewesen sein, aber wenn inhaltlich keine massive Kehrtwende auf “God’s Country” eintritt, wird es auch musikalisch kaum zu genießen sein.

 

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